Die Geschichte

Lächelnd hatte ich mich leise auf den Stuhl neben sie gesetzt und genoss den heißen Kaffee, den ich mir geholt hatte. Es war schon weit über Mitternacht, doch ich hatte nicht mal im Traum daran gedacht, die ganze Nacht zu hause zu schlafen. Stattdessen legte den Kopf neben ihren ruhig atmenden Körper und schlief in dieser Position ein. Ihr Duft benebelte mcih und hüllte mich in eine sanfte Wolke. So ließ es sich wunderbar träumen.

Die nächsten Tage schlief ich, abgesehn von ein paar zwischenfällen doch ohne wirklich wach zu werden, regelrecht durch. Zwar krampfte ich nach wie vor zwei bis dreimal am Tag, doch so schlimm wie der zwischen ersten und zweiten Tag war keiner mehr. Eine Woche war bereits vergangen und Tag neun meines enzugs angebrochen. Ziemlich früh am Morgen öffnete ich zum erstenmal nach langem wieder meine Augen und starrte gegen die kalte Decke des Krankenhauses. Als ich langsam meinen Kopf wendete, huschte mir sogleich ein leichtes lächeln über die Lippen. Er hielt sein Wort, ich wusste nicht das ich so lange geschlafen hatte, geschweige denn was in der zwischen zeit passiert war, doch mir ging es bereits viel besser. Vorsichtig schob ich meine Hand in seine Richtung und berührte sanft einwenig seine Hand, um mich davon zu versichern, das er wirklich hier war.

Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, bevor ich mich aufrichtete. Klar, die alltägliche Morgenkontrolle. Etwas verwirrt starrte ich in den leeren Raum. Hä, wer hat mich geweckt? Ich erstarrte, als ich in Gabbys Augen sah. "Du bist wach!", sagte ich entzückt und meine Augen fingen zu funkeln an. Sie war tatsächlich wach! Ich war von früh bis spät hiergewesen, nur zum duschen und mal was richtiges Essen war ich gegangen. Und nun war sie wieder wach. "Wie geht es dir?" Sie sah besser aus. Ich strich ihr liebevoll über die Wange.

Sofort zog ich meine Hand zurück, als er sich bewegte. Doch zuspät, ich hatte ihn aufgeweckt. Entschuldigend sowie verlegen sah ich ihn von unten an, das wollte ich nicht. Wieder nickte ich nur kurz auf seine feststellung, mein Blick wanderte durch den Raum. Sie hatten mich wie es aussah verlegt, aber warum hatte ich davon nichts mitbekommen? Etwas irritiert sah ich wieder zu Chris. "Besser..." hauchte ich leise und schloss wieder bei seiner Berührung meine Augen. Wieder verirrte sich ein leichtes lächeln, auf meine noch recht blassen Lippen, ehe ich meine Augen erneut öffnete und ihn wieder ansah.

Sie sah wunderschön aus und ich musste mich zusammenreiß en, sie nicht schon wieder einfach so zu küssen. Auch wenn es sich gut angefühlt hatte... Ich erwiederte müde ihr Lächeln. "Du hast... ungefähr eine Woche durchgeschlafen...", erklärte ich ihr, ohne ihre Hand loszulassen. Aber es hatte auch seine Wirkung getan. Offensichtlich ging es ihir wirklich besser...

Mit großen Augen sah ich ihn an, er machte doch jetzt nur einen scherz?! Ich konnte doch nicht tatsächlich beinahe eine ganze Woche durch geschlafen haben!?...Nein!... Das..das war schier unmöglich! Noch bevor ich auch nur einen Ansatz machte um etwas von mir zu geben, ging die Zimmertür auf und mein Dad kam herein. Als er sah das ich munter war, zog sich sofort ein leichtes lächeln über sein, sichtlich von Sorgen geplagtes, Gesicht. "Guten Morgen Prinzessin!" gab er mit sanften Ton von sich und strich mir eben so sanft über die Stirn. "Na... Hast du gut geschlafen?" Ich sah ihn nur kurz fragend an, irgendwie konnte ich es einfach nicht glauben, das ich tatsächlich eine Woche durchgeschlafen haben soll.

Ich gähnte und streckte mich, während ich mich zurücklehnte. Ich hatte wirklich Angst gehabt dass sie... nicht wieder aufwacht... Fast eine Woche hatte sie einfach durchgeschlafen... Sie wurde durch Schläuche ernährt... Fast eine ganze Woche. "Hast du Hunger oder Durst?", fragte ich leise und lehnte mich wieder zu ihr nach vorne. Endlich war sie wieder wach, und sie war wunderschön... Immer wenn ich ihr etwas vorgelesen hatte musste ich stocken und sie ansehen, wie ruhig und selig sie dalag... und ich musste lächeln. Ich wusste zwar, das aus uns nie wieder ein Paar werden könne, nach alle dem, was passiert war, aber dennoch liebte ich sie sehr.

Mein Blick wanderte zwischen Chris und meinem Dad fragend hin und her. Nur mit nicken oder Kopfschütteln beantwortete ich die wenigen Fragen die sie mir gestellt hatten. ...Ich hatte wirklich eine Woche geschlafen... Der Gedanke lief in meinem Kopf auf und ab doch es blieb mir unbegreiflich. Erneut ging die Tür auf, doch es war keine Krankenschwester die den Raum betrat, sondern meine Mutter. Sie sah schrecklich aus. Neben den schwarzen Ringen unter ihren Augen, war ihr Gesich sowie die Stellen die ihr Mantel nicht bedeckte, übersäht von blauen Flecken. Erschrocken sah ich sie an, ich wusste wer ihr das angetan hat und ich fing an mir deswegen vorwürfe zu machen. Mein Dad sprang sofort auf als er sie sah, gerade rechzeitig als sie zusammen brach. "Maaaam" fuhr ich panisch hoch, mein Herz raste wieder. Doch mein Dad hob sie sofort hoch, drehte sich kurz zu Chris um und warf ihm einen 'du-weist-schon-was-zu-tun-ist' bilck zu, bevor er sie nach draussen brachte. Es war alles meine Schuld, würde ich nicht hier liegen, hätten sie ihr nie etwas getan.

Wie Stan fuhr auch ich sofort hoch. Was war passiert?... Ich nickte Stan zu und nahm Gabby an den Schultern, um sie energisch in die Kissen zu drücken. "Hey...shh...." Es war zwar kein Monitor mehr da, der piepen konnte, aber ich wusste trotzdem, dass ihr Herz wie verrückt raste. "Ganz ruhig...", hauchte ich wieder und beugte mich über sie. Machte sie sich Vorwürfe?... Aber es war doch meine Schuld... oder? Wenn ich ihn nicht so verärgert hätte... Nein, ich hätte ihn so oder so nicht aufhalten können. Er war ein Schwein. "Shh......" Ich strich ihr über die Stirn. Sie musste sich beruhigen, ihr Herz würde das sonst nicht mehr mitmachen.

Tränen liefen mir ohne stop über die Wangen und immer mehr Vorwürfe krochen in mir hoch. Tom hatte mich gewarnt, würde ich nicht das tun was er von mir wollte, würde er auch vor den Menschen die ich liebte nicht halt machen und da ihm meine Mum regelrecht blind vertraut hatte, wäre sie die erste. Das sie von ihm Schwanger war, war ihm sowieso ein Dorn im Auge. "Neiiiiin... neiiiin..neiin..." gab ich immer leiser werdend von mir und schloss meine Augen als er mich in die Kissen drückte. "Es ist alles meine schuld..." flüsterte ich schließlich nur noch unter tränen mit nach unten gerichtetem Blick.

Ich straffte meine verspannten Schultern und nahm zärtlich ihr Kinn in meine Hand, um es vorsichtig nach oben zu ziehen, damit sie mich ansah. Wenige Zentimeter trennten uns nur noch und ich konnte die Tränen sehen, wie sie sich in ihren Augen sammelten und dann überschwappten, ihr Gesicht hinunterliefen und ihre glänzenden, roten Augen mich ansahen. "Hör mir zu.", sagte ich leise aber bestimmt. "Du darfst dir niemals die Schuld geben, für Dinge, die dieses kranke Schwein getan hat." Ich sah ihr genau in die Augen, sah tief in sie hinein. "Du hast keine Schuld."

Als er mein Kinn in seine Hand nahm und ein Stück zu sich nach oben zog, schluckte ich und hielt einen Moment sogar den Atem an. Seinen konnte ich zart auf meiner Haut fühlen. Immer noch mit Tränen in den Augen sah ich in seine und beruhigte mich langsam, wärend ich ihm zuhörte. "...A.aber..." stockte ich leise, Tom hatte mir in der doch relativ kurzen Zeit was ich ihn nun kannte, regelrecht eingetrichtert das ich für alles was passiert, selbstschuld war. Sogar für solche Dinge für die ich offensichtlich nichts konnte... Wohl würde ich mir es auch nie verzeihen, wenn dem Kind im Bauch meiner Mutter etwas zugestoßen wäre.

"Shh..." Ganz vorsichtig legte ich den Zeigefinger meiner anderen Hand auf ihre weichen, zarten Lippen. Ich hoffte inständig, sie wenigstens ein wenig überzeugt zu haben. "Du. hast. keine. Schuld.", wiederholte ich alles ganz langsam und zärtlich. Ich sah in ihre Augen, spürte ihre zitternden Lippen unter meinem Finger und konnte mich einfach nicht mehr zurückhalten. Ganz langsam nahm ich den Finger weg und legte stattdessen meine Lippen auf sie, so zaghaft und vorsichtig, als ob ich Angst hätte, sie zu verletzen.

Ehe ich noch etwas sagen konnte, spürte ich seinen Zeigefinger an meinen Lippen. Mein Blick hing in seinen Augen, das was er sagte, hatte ich jedoch irgendwie ausgeblendet. Plötzlich sah ich nur noch wie er immer näher auf mich zu kam und sich schließlich unsere Lippen entgültig berührten. Rund um mich fing alles wieder so zu verschwimmen an, als würde ich Träumen, doch ich schloss meine Augen und hielt stand.

Es war nur ganz kurz. Schon nach wenigen Sekunden löste ich mich wieder von ihr und sah sie schlechten Gewissens an. Ich hatte mich nicht zusammenreißen können. Jetzt hasst sie mich! Verdammt, wie konnte ich nur so... rücksichtslos sein!? Nunja, jetzt war es ja eh zu spät... Ich sollte gehen und ich war mir sicher, dass sie mich nie wieder sehen wollte. Da machte ich ihr das Leben zur Hölle, tauchte einfach wieder auf und warf es auf dem Kopf, indem ich mich einfach an sie heranmachte. Ich konnte es verstehen, wenn sie mich abgrundtief hasste. Das Herz in meiner Hosentasche leuchtete und glühte fast, doch es erblasste, als ich zum Fenster ging und stumm hinaus sah.

Der Augenblick war schon vorbei, bevor er überhaupt erst richtig angefangen hatte. Ohne ihn an zu sehen, wante ich meinen Blick traurig in die entgegengesetzte richtung. Ihm muss wohl klar geworden sein, das er nichts mehr für mich empfand. Und mir wurde nun klar, das es dumm von mir war, immer noch daran zu glauben das Chris und ich irgendwann glücklich werden würden... So zerplatzte der lang verschollen geglaubte Traum meiner Seele, bin in Sekunden. Wie kam ich bloß auch nur auf die Idee, dass mich überhaupt jemand Lieben könnte? Ein leises seufzen machte sich bemerkbar.

Ich sollte gehen, und sie endlich in Ruhe lassen. Sie hatte mich sicher schon fast vergessen gehabt und ich hatte ihr ganzes Leben weider auf den Kopf gestellt... Am besten wäre ich gar nicht wieder gekommen! "Du willst dich sicher noch ausruhen. Ich geh lieber, okay?...", fragte ich zerstreut und fuhr mir durch die Haare, jedoch machte ich keinerlei Anstalten, mich zu bewegen.

Warum machte er mir gerade eben hoffnungen und warf mich gleich darauf mit dem was er sagte und tat, wieder zu Boden? Seine Berührungen, seine Blicke die er mir seit er wieder hier war, immer wieder zu warf, war das alles nur einbildung? Ich war einfach nur durcheinander. Er schaffte es mein Vertraun das ich doch einwenig in den paar Tagen wieder zu ihm aufgebaut hatte, mit einem mal zu brechen. Ich war mir sicher, er würde wieder gehen, doch ich würde ihm genau wie damals deswegen keine vorwürfe machen, es war sein gutes recht. Mein Leben war mittlerweile sowieso wertlos und ich fühlte mich seit den letzten Monaten, nur noch als eine Last auf den Schultern anderer. Ich schluckte nur leise auf seine Frage und starrte traurig gegen die Decke vor mir.

Mit zittrigen Händen nahm ich meinen Rucksack und ging zur Tür. Wenn ich jetzt gehen würde... würde ich nicht wieder kommen... Ich fühlte mich wie damals, als ich sie schweren Herzens allein gelassen habe... Meine Hand klammerte sich an die Türklinke. Sie würde wieder all das durchmachen. Sie müsste wegen mir wieder Depressionen erleiden und wahrscheinlich würde ihr Herz das gar nicht verkraften... Außerdem musste ich sie vor Tom beschützen, musste für sie da sein. Ganz langsam drehte ich mich zu ihr herum. Sie liebte mich nicht, aber sie brauchte mich. Ich musste mich halt zusammenreißen, musste aufpassen. Ich würde bleiben, bis sie den Entzug hinter sich hat...
Langsam stellte ich den Rucksack wieder ab und setzte mich auf den Stuhl neben sie. Sie brauchte mich... oder?...

Mit einem Schlag, kehrte diese Abgrundtiefe leere in meine Augen zurück. Er würde wieder gehen. Sag was!... verdammt Gabby sag was!.. er geht!.. Halt ihn auf! Gabby!!! Doch ich war wie gelähmt, weder ein Wort, noch ein einziges zucken machte sich bemerkbar. Warum bin ich überhaupt noch aufgewacht? Es wäre alles um so vieles leichter für alle gewesen... Selbst als die Krankenschwester herein gestürmmt kam um mir unter anderem zu sagen, das ich einen gesunden kleinen Halbbruder hatte, blieb mein Blick leer und starr nach vorne gerichtet.

Als die Krankenschwester hereingestürmt kam, erhob ich mich langsam. Doch Gabby schien gar nicht bei Sinnen zu sein. Schon nicht, als ich mich neben sie gesetzt hatte. "Gabby?..." Ich wurde nervös. Was war los mit ihr? Ich streckte meine Hand nach ihr aus, brauchte allerdings mehrere Anläufe, bis ich sie wirklich kurz an der Schulter berührte.

Wieder zog alles nur so an mir vorbei. Die Krankenschwester war genau so schnell wie sie im Zimmer war, auch wieder draussen. Erst als er mich leicht an der Schulter berührte, realisierte ich das er überhaupt noch hier war und sah ihn mit leerem Blick einen Moment an. Das er mich zuvor sogar angesprochen hatte, zog ebenso an mir vorbei.

Ich schluckte. Ihr blick machte mir Angst. Was hatte ich getan?! "Hey, Gabby..." Ich beugte mich zu ihr hinunter und nahm ihren Kopf in meine Hände. Nicht küssen! Nicht küssen!!! "Ich bins!" Ihr Blick war so leblos, genauso wie sie sich anfühlte. Und schon wieder lagen meine Lippen auf ihren. Gabby!!! Gabby!!!

Seine berührung, wieder diese sanfte berührung als er meinen Kopf zwischen seine Hände nahm. Ich sah in seine Augen, warum tat er mir das selbe nun nochmal an? Wieder kam er näher und wieder spürte ich dieses Kribbeln, was sich anfühlte als würe man sich an einer Batterie anschließen. Erneut schloss ich meine Augen, doch diesmal wich ich ein Stück zurück. Nicht noch ein weiteresmal würde ich wie eine Katze auf den Beinen landen.

Ich schluckte und sah sie an. Ja, natürlich liebte sie mich nicht mehr. Es waren immerhin 11 Jahre. Ich hätte es wissen sollen... Da sie sich sichtlich unwohl fühlte ließ ich ganz langsam von ihr ab. "Tut... tut mir leid...", hauchte ich leise während ich sie immer noch ansah. Ich liebe sie wirklich, die Tage, die sie verschlafen hatte hatten mir dies gezeigt. Ich war immer bei ihr, habe mich liebevoll um sie gekümmert... aber natürlich liebt sie mich nicht. Wie hatte ich das nur glauben können? Tja, ich hatte schon als Kind eine blühende Fantasie...