Die Geschichte

Ich hatte die Tür schon erreicht, als plötzlich ihre Stimme wie ein Pfeil durch die Stille schoss. Ganz langsam drehte ich mich zu ihr um und ließ meine Sachen fallen. In einem großen Schritt war ich bei ihr. Ja, sie war tatsächlich wach! Ein Leuchten war in meinen Augen zu sehen, doch... was redete sie da?.... Irgendetwas stimmte nicht... Ich sah fragend in Stans Augen, doch dann wurde meine Miene ernst und mein Lächeln verschwand. "Was... was.. hat das... zu bedeuten?...", hauchte ich leblos.

Mit Tränen in den Augen sah er ihn an. "Ihr..ihr Gedächniss.. sie hat die letzten Jahre scheinbar vergessen..." gab er schluckend von sich. Die Chancen das es zurück kommen würde, waren zwar gegeben doch es könnte Jahre dauern und ob ich mich dann an alles Erinnern würde, war eher unwarscheinlich. Ich sah zwischen den beiden etwas verwirrt umher. "Was ist passiert? wo bin ich und warum weinst du? und wer ist der Mann Dadi?" fragte ich leise wie ein kleines Kind und sah ihn mit etwas zur Seite geneigtem Kopf an.

Ich erstarrte und gab mir Mühe, nicht sofort das Bewusstsein zu verlieren. Geschockt sah ich sie an, dieses kleine Mädchen, was in einem viel zu erwachsenen Körper steckte. "Oh Gott...", hauchte ich geschockt. Nein, nein, das war eindeutig zu viel!!! Mir stiegen die Tränen in die Augen und ich nahm energisch meine Jacke, um sie anzuziehen. Nein, nein, das würde mein Verstand nicht mitmachen. Irgendwann würde ich eingeliefert werden müssen...

Mein Dad strich mir nur leise seufzend über den Kopf. "Alles Okay Prinzessin, es sind nur freuden Tränen..." gab er leise von sich, auch wenn es nicht so war. Ich musterte den 'Mann' wobei mir seine wunderschönen Augen, die mich an Chris' erinnerten, sofort auffielen. "Er heist Chris..." meinte er dann auf meinen Blick und meine zuvor gestellte Frage eben so leise. Kurzfristig als ich den Namen hörte, funkelten meine Augen auf, gleich darauf fiel mein Blick traurig nach unten auf meine Hände. "Chris... mein bester Freund heist auch Chris..." gab ich beinahe flüsternd von mir wobei mir eine Träne über die Wange lief.

Ich schluckte und biss mir verzweifelt auf die Unterlippe. Es dauerte lange, wie ich so dastand, ehe ich schießlich doch schon zum tausendstenmal meine Sachen fallen ließ und mich auf den Stuhl neben ihr setzte. Tatsächlich. Ihre Augen sahen genau so aus wie früher, diese strahlenden, funkelnden Augen die mich aufmerksam ansahen. "Hallo.", sagte ich und ich wusste nicht wie, doch ich zwang mir ein Lächeln ab.

Als er sich neben mein Bett setzte und ein 'Hallo' von sich gab, sah ich ihn mit großen Augen an und musterte ihn. "Hi... Du siehst aus wie mein Chris... nur älter" meinte ich dann schließlich, genau so offen wie damals. So betrachtet, war es erschreckend wie stak ich mich von Jahr zu Jahr mehr verändert hatte, besonders in den letzten Monaten. Doch es war alles vergessen... wirklich alles. Ein leises seufzen kam aus der richtung meines Dad's dochh als ich zu ihm sah, rung er sich ein Lächeln ab. Dennoch erkannte ich das ihn etwas bedrückte, doch ich schwieg.

Ich schluckte hart. "Tja, was für ein Zufall, nicht wahr?", fragte ich sie sanft. Das war sie wieder, meine kleine, süße Gabby von früher. Ja, eindeutig. Sie war ganz anders, als vor ein paar Monaten. Ihre Augen sahen so unschuldig und friedlich aus, dass ich lächeln musste. Auf einmal fühlte ich mich auch wie der kleine Junge von früher, der Gabby immer mit großen Augen ansah, wenn sie aus dem Fenster schaute. Schon lange war dieser Junge mit dem Fahrrad und der Strubbelfrisur verliebt in sie gewesen, und eines Tages hat er sie einfach angesprochen...

Mein Blick fiel schließlich wieder auf Chris. "Ja!" gab ich leise mit begeisterung von mir und strahlte ihn schon beinahe an. Im gleichen zug, verblasste dieses strahlen jedoch auch schon wieder und ich sah nachdenklich zu meinem Dad. "Warum bin ich eigentlich hier?" Doch diesemal wusste mein Dad zum ersten mal nicht, was er mir Antworten sollte.

Ich zögerte kurz, ehe ich den Mund aufmachte. "Du bist hingefallen und musstest operiert werden, aber es war gar nicht so schlimm.", versicherte ich ihr und ignorierte das Zucken in meiner Hand, welches ihr sanft über die Stirn streichen wollte. Ich war in ein achtjähriges Mädchen verliebt... war ich jetzt ein Psychopath? Diese ganze Situation verwirrte mich einfach nur.

"Hmm... passiert mir im Moment öfter, muss mir wohl den Kopf gestoßen haben, denn ich kann mich an nichts mehr erinnern!" gab ich offen zu und lächelte einwenig. Langsam wurde ich jedoch müde, worauf mir auch ziemlich bald die Augen zu fielen und ich ohne vorwahrnung einschlief. Wieder vergingen ein paar Wochen, doch meine Erinnerungen kamen einfach nicht zurück. Die Ärzte gaben schließlich das O.K. meiner entlassung. Endlich war es soweit, doch es gab einige Probleme... Ich dachte ja schließlich ich wäre acht und damals hatte ich unter anderem noch keinen Halbbruder und bis jetzt sah ich mich auch in keinem Spiegel...

Es waren eigentlich recht angenehme Wochen, mit der kleinen, süßen Gabby. Doch nun kam der Ernst wieder zurück, denn nun wurde sie entlassen, aber wie sollte es weitergehen? Sie konnte ja kaum auf eine Schule gehen, geschweige denn dass sie sie sich sehen konnte... In Autofenstern, in Pfützen, in Seen... in Spiegeln. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte, hatte ich doch so sehr gehofft, dass sie eines Tages ihre Erinnerung wieder bekommt. Unschlüssig stand ich mit ihr im Zimmer und wartete auf Stan, der uns abholte. Mittlerweile hatte sich der Gedanke, dass es besser so sei, tief in mein Gehirn eingebrannt. Denn sie hatte noch keine schlechten Erlebnisse - außer das ich sie verlassen hatte - gehabt. Das heißt, sie hatte Tom noch nicht kennengelernt. Eine Katastrophe, wenn das jetzt passieren würde. Ich nahm mir vor, sie auf jeden Fall von Tom, von Spiegeln, und wenn es möglich ist von der ganzen Außenwelt fernzuhalten.

Chris wurde in den letzten Wochen wie ein großer Bruder für mich... So wie 'mein' Chris eigentlich und an den erinnerte er mich auch irgendwie. Endlich war es soweit, ich durfte Heim! Und wieder war er bereits hier, so wie in den vergangenen Wochen auch. Als ich neben ihm stand, war ich gerade mal einen Kopf kleiner als er, was mich irgendwie verwunderte, denn er erschien mir, als ich im Bett lag, immer um einiges größer. Dennoch, als wir im Zimmer auf meinen Dad warteten, lächelte ich ihn an und griff wie damals einfach nach seiner Hand. Immer wieder fielen mir kleinigkeiten auf, die damals als ich wirklich acht war eigentlich anders waren... Meine Hände zum Beispiel... doch ich sagte nie etwas. Bis schließlich mein Dad kam, wir zum Wagen gingen und ich mich neben Chris in der Scheibe sah. Alles was ich machte tat diese Frau auch, als ich mich umdrehte, stand da niemand und als ich mir ins Gesicht griff tat sie es auch. Ich sah Chris fragend an. Was war hier los?

Ich schluckte hart, als sie ihr Spiegelbild ungläubig ansah. Wie lange hatte ich gegrübelt und mir Sätze zusammengelegt, um ihr zu erklären, was passiert war. Doch mir ist nie etwas eingefallen. Und nun war es zu spät - sie hatte sich gesehen. Stumm nahm ich ihre Hand und zog sie einfach ins Auto, ohne weitere Erklärungen. Was sollte ich ihr auch sagen? Ja, du bist eigentlich schon 17, aber mach dir nichts draus!? Verdammt! Ich setzte mich auf den Beifahrersitz, nachdem ich sie hinten angeschnallt hatte und ihre Frage, ob sie denn keinen Kindersitz bräuchte, nur stumm abgewunken hatte. Stan startete den Motor und wir fuhren los. Eisige Stille hauste im Wagen, doch verdammt nochmal, wie sollte ich es ihr erklären!?! Ich fuhr mir zerstreut durch die Haare.

Die Beiden verhielten sich plötzlich komisch und ehe ich mich versah saß ich auch schon im Auto meines Dad's. Leise seufzend saß ich hinter Chris und starrte draussen die vorbei ziehende Landschaft an. Bis ich, wie früher wenn es lange Zeit still war, an fing leise die Meldodie von Dirty Dancing, 'Time auf my Life' zu summen. Chris hatte damals immer dazu eingestimmt und somit sangen wir beide erst leise und dann aus voller überzeugung den Text dieses Liedes. Mein Dad so wie meine Mum, wenn sie mal dabei war, sahn sich meist schmunzelnd an wenn wir damit anfingen. Doch als er nicht mehr da war hörte ich damit auf, warum ich es heute jedoch tat, blieb mir selbst ein Rätsel.

Ich starrte mit leeren Blick nach draußen und bekam nur im Unterbewusstsein mit, wie Gabby auf einmal anfing, 'unsere Melodie' zu summen. Leise stimmte ich, ohne das ich es bemerkte, mit ein. Sofort tauchten alte Bilder von Erinnerungen auf, wie wir zusammen im Auto saßen und voll abrockten. Ich vermisste diese Zeit, doch nun war es so, als ob sie wieder da wäre, als ob wir einen Zeitsprung zurück gemacht hätten, und ich dachte gar nicht daran, mich gegen den kleinen Jungen, der die Oberhand erreichen wollte, zu wehren.

Meine Stimme erlosch einen Moment und ich wante meinen Blick irritiert nach vorne, als Chris mit einstimmte. Doch es dauerte nicht lang bis ich wieder anfing. Es klang anders als damals, so... so als würden eben zwei Erwachsene singen. Wieder zeichnete sich ein schmunzeln im Gesicht meines Dad's ab und er sah einen Augenblick hinüber zu Chris. Mittlerweile waren wir beinahe Zuhause, von einen auf den anderen Moment verstummte ich schlagartig und mein Herz begann ohne triftigen Grund zu rasen. Ich wurde unruhig und bekam plötzlich regelrecht Angst, das ich hier vor einigen Monaten schreckliches mitterlebt hatte, wusste nicht einmal mein Dad. Doch er sah Tom mit ein paar seiner Kumpel die gerade auf der Straße ihre runden zogen. Ich sah die fünf mit großen, ängstlich leuchtenden Augen an und klammerte mich regelrecht am Rücksitz fest... "Dad?... Die machen mir angst..." gab ich schließlich leise von mir.

Ich starrte mit leeren Augen aus dem Fenster. Doch dann, als ich diese Monster auf der anderen Straßenseite sah, wurden sie hasserfüllt und verachtend. Diese Schweine... was sie ihr angetan haben.... ich werd sie umbringen! Zögernd sah ich zu Stan. Wusste er davon?... So wies aussieht nicht... "Stan?...", machte ich ihn mit ruhiger Stimme auf mich aufmerksam. "Vielleicht... wäre es besser... wenn Gabby erstmal bei mir wohnt... die ersten Tage..." Ich musste mit ihm reden. Sie durfte auf gar keinen Fall hierbleiben, denn sonst, ja sonst würde Tom eine Achtjährige an seine Freunde verkaufen.

Nachdenklich sah mein Dad über den Rückspiegel zu mir nach hinten und dann zu Chris. "Hmm... Ich denke das wäre keine so schlechte Idee..." gab er immer noch nachdenklich von sich, denn schließlich war da auch noch mein Halbbruder. Wie würde er mir das bloß erklären?... Ich hatte mich mittlerweile wieder beruhigt, sah wieder aus dem Fenster und bekam somit von dem Gespräch nicht wirklich was mit. Erst als wir an unserem Haus vorbei fuhren wante ich meinen Blick nach vorne zu den Beiden. "Fahren wir noch wo hin?" fragte ich dann unbekümmert und wartete neugierig auf die Antwort.

Als ich mich umdrehte, lächelte ich ihr aufmunternd zu. "Ja, du kannst erstmal für einige Tage bei mir wohnen, wenn du magst. Dort gibt es Kakao und Gummibärchen, und alles, was du willst.", grinste ich sie an, und hoffte, dass sie sich nicht dagegen wehren würde, mitzukommen. Ich musste sie vor Tom beschützen...

Da ich Chris mittlerweile vertraute, zumal er scheinbar ein guter Freund meines Dad's war und der offensichtlich nichts dagegen hatte, lächelte ich ein wenig und stimmte nickend zu. "Aber... ich mag keinen Kakao.." gab ich dann schüchtern von mir, den hatte ich noch nie wirklich gemocht. Auf den Weg zu Chris' Wohnung, sah ich einige Punk's die mit einer Dose herum kickten. Es waren Trixi und die Jungs. Mein Blick klebte regelrecht an Trixi, im gegensatz zu vorhin, hatte ich nun das bedürfniss zumindest zu ihr hin zu wollen. Beinahe sehnsüchtig starrte ich aus dem Fenster, als ich plötzlich ein Bild vor Augen hatte, wo sie und ich zwischen einigen Mülltonnen, ängstlich zusammen gekauert saßen. Unwillkürlich zuckte ich einen Moment zusammen und senkte sogleich meinen Blick.

Im Rückspiegel sah ich, wie sie ihre Freunde ansah. So als ob sie zu ihnen wollte... ich hatte nicht gedacht, dass ihre Freundschaft überhaupt eine war, und vorallem, dass sie so an ihnen hing. Jedoch ging ich gar nicht erst darauf ein, denn es war besser, wenn sie sich von ihnen fernhielt...
Es dauerte nicht lange, und wir waren auch schon bei mir. Stan brachte sie noch mit hoch und verabschiedete sich schließlich. Als ich die Tür hinter ihr schloss lief ich knallrot an. Seit dem ich damals... die Wohnung demoliert hatte, hatte ich nicht mehr aufgeräumt... Schnell schnappte ich mir Sachen und warf sie wahrlos auf den Boden, ordnete sie und räumte sie in Rekordzeit weg, sodass es relativ wohnlich aussah. "Fühl dich wie zuhause!", rief ich lächelnd.

Als wir bei ihm ankamen, begleitete mein Dad uns noch nach oben, ehe er ging. Ich sah mich einen kurzen Augenblick um und schmiss dabei eine Zeitschrift, die zuvor auf der Couchlehne gelegen hat, hinunter. Als ich sie wieder auf hob und zurück legte, stützte ich mich einen Moment an der Lehne ab. Wieder kam ein kurzes Bild in mir hoch, als ich auf der Couch lag und er gegen über im Stuhl saß. Ich kniff meine Augen zusammen und schüttelte kurz den Kopf. Was war das? Es war eigenartig! Das es so aussah störte mich nicht weiter.

Ich erstarrte kurz, als ich sie ansah. Was war das?... hatte sie... etwa... erinnerte sie sich? Mal austesten... "Also was möchtest du? Pfefferminztee, oder eine heiße Milch mit Honig... oder... ach suchs dir einfach aus, du hast die freie Wahl!", lächelte ich sie an. In den letzten Wochen war es schwierig geworden. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich sie wirklich liebte, natürlich, in mir steckte auch der achtjährige kleine Junge, der so verliebt in sie war, aber ich war... viel älter... also... ach es war einfach zum Haareausreißen.

Sofort hob ich meinen Kopf und sah ihn an als er mich an sprach. Meine Augen begannen zu funkeln als er Pfefferminztee sagte, bis jetzt hatte mir den noch keiner Angeboten. "Du hast Pfefferminztee?" fragte ich mit großen Augen und die begeisterung in meiner Stimme war wohl kaum überhöhrbar.

Sofort breitete sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus, auch wenn ich kurz darauf schweren Herzens seufzte. Natürlich erinnerte sie sich nicht, wäre ja auch zu schön gewesen... sie war immer noch die kleine Achtjährige, und ohne dass ich es bemerkte, wurde sie immer mehr zu einer kleinen Schwester für mich. "Klar!", rief ich und erinnerte mich schmunzelnd daran, wie sie vor einiger Zeit ihn abgelehnt hatte. Ich kochte das Wasser auf und reichte ihr eine heiße Tasse, als ich mich neben sie auf die Couch setzte. "Und, was machen wir jetzt?"