Die Geschichte

"...Tupfer... Wir verlieren sie!... Weg vom Tisch!... Keine Wirkung!... Erhöhen auf 220... Weg vom Tisch!... Keine.. Moment, wir haben sie wieder!... Schnell Tupfer!..." Mel's Herz schlug in meinem Körper und dennoch konnte es alles oder nichts bedeuten. Die Operation zögerte sich noch weitere 3 Stunden hinaus, doch das Herz schlug immer kräftiger in meiner Brust und pumpte mein Blut bereits selbstständig durch meinen Körper. Ja ich lebte! Einige Zeit später schoben sie mich auf die Intensiv, wieder hing ich an tausenden von Schläuchen sowie an dem Beatmungsgerät, nur Mel's Herz schlug von selbst, besser als meines je geschlagen hatte.

Ich wurde fast verrückt, die OP dauerte eine Ewigkeit, und ich hatte schon fast alle Hoffnung verloren, als sie plötzlich auf die Intensiv gebracht wurde. Sie schlief noch tief und fest, als ich mich leise neben sie setzte und die Ellebogen auf den Knien aufstützte, um die Hände zu falten. Verstört biss ich mir auf die Unterlippe und begann einfach, zu reden.
"Es tut mir leid... so unendlich...", hauchte ich leise und sah auf ihr wunderschönes Gesicht, welches still dalag. "Ich hatte mein Versprechen nicht gehalten... und dich schon wieder allein gelassen. Es ist alles meine Schuld..." Vorsichtig ergriff ich ihre Hand. "Ich liebe dich."

Die Ärzte sprachen noch mit meinem Dad und klärten ihn auch über die zwischenfälle und mögliche bleibende schäden auf. Es war duraus möglich das ich mein Gedächnis verloren hatte, er nickte nur. Auch Mel's Eltern kamen ins Wartezimmer, sie hatten trotz alle dem mitgefiebert und wollten nun wissen ob alles gut verlaufen war. Mein Dad bedankte sich in aller Form bei ihnen, doch ich war noch lange nicht über den Berg. Er und meine Mutter betraten schließich ebenfalls mein Zimmer, wieder legte mein Dad seine Hand auf Chris' Schulter und nickte ihm anerkennend zu.

Vorsichtig ließ ich ihre Hand wieder los und legte sie behutsam auf die Decke, als Stan und ihre Mutter hereinkamen. Wie ein kleiner Junge sah ich Stan mit großen Augen von unten herab an. "Sie wird doch wieder, oder?..." Zweifel, Angst, Panik, war in meiner Stimme zu hören und ich ignorierte das Bedürfnis, den Grind an meinem Handleg wegzukratzen, damit die Nervösität nachließ. Sie durfte nicht sterben, nicht jetzt, wo sie es schon so weit geschafft hatte...

Meine Finger zuckten einwenig als er meine Hand wieder auf die Decke legte. Nur mit einem leichten Schulterzucken antwortete er erst auf Chris' frage, denn auch er konnte nur hoffen und beten. Ein schwacher trost, doch ich holte im schlaf kurz tiefer Luft, was ein Zeichen war das ich bald aufwachen könnte. Liebevoll strich mir meine Mum über die Stirn, sie fing wieder an die Frau zu sein, die sie früher war. Scheinbar hatte ihr das ganze die Augen geöffnet, als sie nach meiner Hand griff bemerkte sie das Herz das ich nach wie vor noch fest in meiner Hand hielt. Es kam ihr bekannt vor und so fiel ihr blick kurz auf Chris, erst jetzt begriff sie wer der junge Mann war. "Chris..." gab sie leise von sich und sah kurz zwischen ihm, dem Herzen und mir hin und her.

Ich hob den Blick von dem Mädchen, das ich über alles liebte, und sah in die Augen ihrer Mutter, die sich verändert hatten. Erst jetzt kamen sie mir wieder ein wenig bekannt vor, so wie früher, wenn sie mit uns Eierkuchen gebacken hatte und wir sie einfach immer verbrannt hatten, egal wie viel Mühe wir uns gegeben hatten. Doch sie hatte einfach lächelnd darüber hinweg gesehen... Ich sah kurz zu Boden, dann wieder zu ihr. "Mrs Stevens...", sagte ich anerkennend und hätte mich fast verbeugt, was dann aber doch ein wenig übertrieben war.

Ein leises aufseufzen sowie ein kurzes schlucken kam aus meiner richtung. Gleich darauf kam wieder ein Arzt ins Zimmer, es war kurz vor acht Uhr abends und die Besuchszeit auf der Intensiv war nun vorrüber. Auch die nächsten zwei Tage blieb alles unverändert, ich schlief immer noch, doch langsam machten sich sogar bedenken der Ärzte breit ich sollte längst wach sein. Die befürchtung stieg, dass ich ins Koma gefallen war, doch mein Dad wollte das noch nicht mal in erwägung ziehen. Er sprach mit mir, strich mir liebevoll über den Kopf und versuchte mich auf seine Art auf zu wecken.

Ich saß an ihrem Bett, wie jeden Tag, es war nun schon der vierte, seitdem sie schlief, und vergrub verzweifelt das Gesicht in den Händen. Stan musste weg, und auch Mrs Stevens war nicht da, so war ich alleine mit ihr. Verdammt, sag was, wach auf, nur ein kleines Lebenszeichen... Verstört sah ich sie an. Nein, sie durfte nicht wieder ins Koma gefallen sein, ich kann das einfach nicht, ich muss ihre AUgen sehen, mit ihr reden... in meiner Verzweiflung stand ich langsam auf und beugte mich über sie. "Bitte...", flehte ich leise und eindringlich. "Wach auf..." Vorsichtig kam ich näher und hauchte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen, bevor ich sie hoffnungsvoll ansah.

Doch ich zeigte wieder keine Reaktion... Scheinbar... Etwas das aus sah wie ein leichtes lächeln, umspielte für einen kurzen Augenblick meine Lippen. Sein Kuss drang unterbewusst zu mir hin durch und wieder drückte ich das kleine Herz in meiner Hand, kurz einwenig fester. Die Ärzte waren einander unstimmig ob ich nun wirklich im Koma lag oder nicht, beschlossen letztendlich jedoch das es so wäre.

Ich schluckte die Tränen wieder herunter und meine Finger krallten sich in die Bettdecke. Vorsichtig strich ich ihr noch einmal über die Stirn, bevor ich meine Sachen nahm und wieder gehen musste. Mit der U-Bahn fuhr ich fast 4 Stunden zurück. Ich musste zur Uni. Doch konzentrieren konnte ich mich eh nicht... und verhaute gleich die erste Prüfung. Ich konnte einfach nur noch an sie denken... wie sie nicht mehr aufwacht... Am Abend war ich schon wieder bei ihr und nahm wieder sorgsam ihre Hand.

Aus Tagen wurden schließlich Wochen die vergingen und die Hoffnung meiner Eltern, versiegte von Tag zu Tag mehr. In den Besuchszeiten war ich eigentlich nie allein, denn wenn nicht gerade Chris oder meine Eltern bei mir waren, kamen auch die Eltern von Mel die mittlerweile zu Freunden meiner Eltern wurden und ebenso um mein Leben bangten. Eines Tages jedoch öffnete ich schlagartig die Augen, mein Blick jedoch war leer.

Ich saß gerade alleine neben ihr, es war noch sehr früh am morgen und ich hatte mir einen freien Tag gegönnt, um die ganze Nacht bei ihr sein zu können, und las ihr aus 'Alice im Wunderland' ihre Lieblingsstelle vor, als ich kurz den Blick hob und erstarrte. Sie war wach!!! Nein, das bildete ich mir nur ein. Vor Schreck ließ ich das Buch fallen. So lange war sie nun schon im Koma, dass selbst ich keine Hoffnung mehr hatte... aber das hier, das war ein Wunder! "Gabby...", brachte ich erstickend heraus und musste nach Luft schnappen, als ich in ihr wunderschönes Gesicht sah. Ich trat zu ihr heran und strich ihr sanft über die Stirn. "Oh Gabby...." Ich war so glücklich, dass ich fast weinen musste. Sie war wach, sie war endlich wieder wach!

Mein Blick wanderte leer durch den Raum, so als wäre ich Blind, ich konnte ihn niergendwo lange halten, geschweige denn das ich etwas richtig realiesierte. Es war beinahe so als wäre ich ein zuschauer meines eigenen lebens, eigenartiges Gefühl, auch das was ich hörte war irgendwie so, als würde jemand durch drei Kissen reden. Ein junger Arzt kam herein um nach mir zu sehn, sein Blick fiel sofort auf mich, er sprach mich an, doch ich zeigte keine Reaktion. "Wachkoma" gab er nur trocken von sich ohne mich wirklich zu untersuchen geschweige denn auf die Gefühle von Chris rücksicht zu nehmen.

Meine Augen weiteten sich und mein Magen krampfte sich schlagartig zusammen. Ganz langsam nahm ich die Hand wieder weg und starrte sie erschrocken an. Wachkoma?!... aber... Auf einmal wurde mir übel und ich rannte schnell aus dem Zimmer zur Herrentoilette, wo ich mich auch schon übergeben musste. Das war einfach alles zu viel, zu erst diese Sorge um sie, das wochenlange Warten, und nun, wo sie die Augen wieder aufschlug, war es so, als wäre sie... tot... Nein, ich konnte es nicht mit ansehen. Zögernd wusch ich mich und ging dann wieder taumelnd zu ihr ins Zimmer. Ich konnte ihr einfach nicht in die leeren Augen sehen...

Dieses dumpfe Gefühl blieb, es war als wäre ich in mir selbst gefangen. Das Chris aus dem Zimmer lief, bekam ich ebenfalls garnicht richtig mit und irgendwann schloss ich schließlich wieder meine Augen. Einige Zeit darauf kam mein Dad, Chris' Gesichtsfarbe lies ihn darauf schließen das irgendetwas passiert sein musste. Er sah ihn fragend an, doch er befürchtete schon seit Tagen das es so kommen würde und die Chancen daraus wieder auf zu wachen, waren mehr wie gering, was soviel bedeutete wie, ich wäre ein ewiger Pflegefall...

Ich biss mir auf die Unterlippe, um die Fassung zu bewahren, als Stan ins Zimmer kam. Zögernd sah ich zuerst zu Gabby und dann wieder zu ihm. "Wachkoma.", hauchte ich mit lebloser Stimme und sah ihn hoffnungslos an. Nein, sie würde nicht mehr erwachen, sie würde für immer schlafen und nie wieder würde ich ihre leuchtenden Augen sehen, nie wieder würde ich... sie lieben können. Auch wenn ich es tat, ich liebte sie so sehr. In seinen Augen konnte ich auch nirgends Hoffnung finden, und so bereitete ich mich langsam auf den Gedanken vor, mein Leben lang immer ins Krankenhaus zu fahren um sie zu besuchen... Ich sah ihn an, wie ein kleiner Junge, der am liebsten weinend zu ihm gerannt wär und ihn gedrückt hätte, ich zeigte jedoch keinerlei Regung.

Leise seufzend kam er zu meinem Bett und strich mir sanft über den Kopf. Eine Träne funkelte in seinen Augen "...Dornröschen..." gab er leise von sich. Ich hasste schon damals dieses Märchen, weshalb wusste keiner so genau. Doch jedesmal wenn er versuchte uns daraus, statt aus Alice im Wunderland vor zu lesen, lief ich solange im Haus herum, bis ich entweder nicht mehr konnte, Chris mich eingefangen hatte oder mein Dad nachgab, was er letztendlich dann sowieso meist tat. Als ich Acht war, spielte ich jedoch im Schultheater die Hauptrolle in einem Stück... Dornröschen... Genau so lag ich nun wieder da, doch diesesmal war es kein Theaterstück...

Ich schluckte hart und meine Hände krallten sich in den Stoff neben ihr. 'Sie wird doch wieder, oder Papi? Bitte verpsrech es, versprech es mir!', rief eine kleine, innere Stimme Stan zu. In meinen Träumen war er schon immer mein Vater gewesen, denn er war genauso, wie ich ihn mir immer vorgestellt hatte.. einen richtigen Vater...
Nein, das konnte einfach nicht sein. Ich würde es niemals verkraften, jeden Tag hierherzukommen, jeden Tag in ihr lebloses Gesicht zu sehen, es ging einfach nicht, ich konnte es nicht. Ich spürte, wie mir schon wieder übel wurde und schon hing ich abermals über der Toilettenschüssel, und das, obwohl ich in den letzten Tagen sogut wie ncihts gegessen hatte. Der Gedanke, dass sie nie mehr aufwachen wird, dass sie ihr ganzes Leben verpasst, war einfach zu grausam. Ausgelaugt und erschöpft betrat ich schließlich wieder diesen Raum... dieses grausame Zimmer.

Als hätte ich es gehört, verzog ich einen Augenblick darauf mein Gesicht und holte tief Luft. Wie als würde jemand einen Schalter umlegen, fing ich plötzlich zu träumen an. Dornröschen... Ich träumte von Dornröschen!... So betrachtet wohl ein Alptraum! Und das war er tatsächlich, zumal ich diese verdammte Theaterszene bis zum heutigen Tag aus meinem Leben verdrängt hatte und nun sah ich mich, mit acht Jahren und geschlossenen Augen auf einem Tisch liegen, in der hoffnung mein Traumprinz würde kommen und mich wach küssen!

Ich kam herein und sah sie mit schmerzerfülltem Blick an. Auf einmal vibrierte Stans Handy und er ging leise nach draußen, die Tür hinter sich schließend. Meine Stimme war nur ein lebloses Hauchen, und doch stiegen mir die Tränen in die Augen. "Wenn du Dornröschen bist....", sagte ich leise und jappste nach Luft. "Dann kann man dich auch wachküssen..." Ich beugte mich über sie und küsste ihre kalten, leblosen Lippen. Zärtlich und lange.

Tja... die Rolle des Traumprinzens... diese bekam damals der wohl ekelhafteste Kerl, den man sich dafür wohl vorstellen konnte. Robert... Chris und ich konnten ihn damals schon nicht leiden da er meist grob war. Als Chris dann weg zog, versuchte er seinen Platz ein zu nehmen und drehte viele Dinge so wie er sie brauchte. Weshalb er auch die Rolle des Prinzen im Stück bekam. Sogar die zweitbesetzung, sollte ich krank werden, sprang ab... Ich lag also da, auf dem Tisch, mit geschlossenen Augen und wusste das nun gleich dieser Kuss kommen würde. Am liebsten wäre ich schreiend auf gesprungen und davon gerannt, doch mir kam eine Idee. Chris!... Ja Chris würde mich nun gleich küssen!... Es war soweit, ich spürte Ro..Chris' Lippen. Im Traum fing ich plötzlich an Chris' realen Kuss zu erwiedern.

Ich zuckte zurück und starrte sei fassungslos an. Für einen Moment dachte ich, dass sie aufgewacht wäre, doch ihre Augen waren immernoch geschlossen. Wieder beugte ich mich vorsichtig vor und küsste sie zögernd, und wieder erwiderte sie ihn. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, dass sie wieder wach wäre, dass alles gut wäre, so wie früher....

Es war an der Zeit, Dornröschen musste aufwachen!... Seit diesem Augenblick hasste ich dieses Märchen mehr denn je, denn ich wusste wenn ich nun meine Augen öffnen würde, steht nicht Chris sondern Robert vor mir. Heute wie damals lief mir, mit geschlossenen Augen eine Träne über die Wange und ich hielt meine Augen geschlossen. Wieder hörte ich dieses spöttische lachen, das damals durch den Saal hallte. 'Verdammt mach deine Augen auf, du plamierst mich!' wie Robert's Stimme die mir giftig diesen Satz ins Ohr hauchte. Doch ich blieb stur. Unsere Lehrerin lies die Vorhänge fallen, selbst ihr gezetere brachte mich nicht dazu meine Augen zu öffnen. Erst als mein Dad hinter die Bühne kam und mir sanft über den Kopf strich, öffnete ich meine Augen und sah ihn traurig an. "Ach Prinzessin..." gab er leise von sich, er wusste was los war, nahm mich hoch und hielt mich fest im Arm. Leise ging die Tür zu meinem Zimmer in dem Moment wieder auf, er sah kurz zu Chris ehe er wieder zu meinem Bett kam und mir, wie damals über den Kopf strich. Auch diesesmal schlug ich wieder meine Augen auf und sah ihn genau so traurig wie damals an.

Stumm wich ich von ihr zurück und sah Stan kurz hoffnungslos an, bevor mir wieder übel wurde, als ich ihre offenen Augen und ihren leeren Blick sah. Sie sah so lebendig aus, so wach, als ob sie jeden Moment anfangen würde zu reden und zu lachen, doch sie schlief, tief und fest, und würde wohl niewieder aufwachen.
Ich sah ihre Augen, die so leblos aussahen, und nahm leise meine Sachen. Nein, ich konnte das nicht länger mit ansehen. Tränen stiegen mir in die Augen, doch diesmal hatte ich nicht die Kraft, sie zu verdrängen. Stumm weinte ich vor mich hin, wischte trotzig die Tränen weg und sah sie zum Abschied noch einmal schluckend an, ehe ich ging. Ich wusste, dass ich wiederkommen würde, auch, wenn es einiges an Überwindung kosten würde.... ich konnte diesen geliebten Menschen, wie sie mich mit offenen Augen ansah und doch schlief, ich konnte es nicht ertragen, ich war nicht stark genug dafür.

"Dad?... Warum meldet er sich nicht?" gab ich wie an dem Tag damals unter Tränen von mir und sah ihn an. Ich realisierte nicht das ich keine acht mehr war. Mein Dad schluckte, auch in seinen Augen spiegelten sich Tränen wieder, denn er begriff bald was dies nun bedeutete. Ich war nun wach, doch ich war wieder acht Jahre alt. Meine ganzen Erinnerungen waren wie gelöscht, ich war das kleine unschuldige Mädchen dessen Herz an einem Jungen hing, der ihr vor zwei Jahren beauftragt hatte ihn zu hassen.